Fotokunst als Gegentrend zur rapiden Digitalisierung

 

Sie gehören zu einer neuen Generation von Fotokünstlern: Matthew Porter (USA), Anouk Kruithof (Niederlande) und das Schweizer Duo Taiyo Onorato & Nico Krebs: Sie erfinden und definieren die alten Gesetze von Fotografie und Reproduktion neu, bewegen sich bewusst zwischen analog und digital und erschaffen neue Bildsprachen.

Pommes und Muscle Cars

Sie kombinieren Bastelverfahren mit Computertechnik, es wird geschnipselt, recycled, auf Photoshop bearbeitet und drapiert. Oben ist eine Arbeit von Anouk Kruithof zu sehen. Bei ihr steht in der Fotografie das Material und weniger das Medium im Vordergrund. Ihre Bilder druckt sie auf biegsamen Kunststoff und drapiert sie über Überwachungskameras, wobei ein skulpturales Gesamtwerk entsteht.

Die Künstler betreiben Foto-Poesie und denken über die Tradition und Magie der Fotografie in einer Zeit nach, die durch den rapiden Wandel geprägt ist. – Jennifer Blessing, Kuratorin

Das Schweizer Fotografen-Duo Taiyo Onorato & Nico Krebs schafft surreale Bildwelten ganz im Stil von Filmkulissen. So liessen die beiden bei ihrer Serie The Great Unreal, die während eines Roadtrips durch die USA entstand, einen Highway durch die Bettdecken-Landschaft eines Motels verlaufen. Den Grand Canyon bepflanzten sie mit…Pommes! Mit ihren Fotos zerlegt das Duo den Mythos Amerika und all die Klischeevorstellungen und vorgefertigten Bilder, die damit verbunden sind.

Auch Matthew Porter spielt mit dem Mythos Amerika. Als er 2005 mit seiner Muscle Cars-Serie anfing, ahnte er jedoch noch nicht, wie aktuell und symbolträchtig diese 11 Jahre später sein würde (jep, damit ist die Wahl Trumps gemeint): Der New Yorker, der sowohl traditionell auf Film als auch digital fotografiert, hängt in seinem Brooklyner Studio typisch amerikanische Muscle Cars wie Marionetten auf, fotografiert sie und lässt sie danach dank Computertechnik über Strassenkreuzungen fliegen.

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Entschleunigung, please!

Die Handarbeit dieser neuen Generation von Fotokünstlern ist durchaus als Gegentrend zur rapiden Digitalisierung zu verstehen. Auch ich habe in einer Zeit, wo es an Langeweile fehlt und an Reizüberflutung nicht mangelt, eine nostalgische Haltung gegenüber Gedrucktem, Aufgeklebtem und Blätterndem entwickelt. Manchmal ziehe ich mit meiner Analogkamera ein paar Runden und geniesse die achtsame Suche nach Sujets und die Wartezeit zwischen Entwicklung und Abholung – und feiere den Moment, wenn ich das Resultat endlich in den Händen halte. (Hier geht’s zum Beitrag “Death to the paradisiac promise”) Dieser Gegentrend in der Fotografie lässt sich auch in vielen anderen Bereichen beobachten: Vinyl Schallplatten, Vintage Design und traditionelle Rasiersets sind riesige Verkaufsschlager und lassen auf ein allgemeines Verlangen nach Entschleunigung schliessen. Die Künstler treffen mit ihrer Foto-Poesie also definitiv einen Nerv der Zeit.

Quelle: Art Magazin 2/2017. Weitere spannende Artikel zum Thema Fotografie auf www.art-magazin.de/fotografie


 

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