«Früchte des Zorns» im Zürcher Schauspielhaus


Ach, was würden wir hier in Europa nur ohne Amerikanische Kulturgüter tun? Obwohl der American Dream in seinem Ursprungsland längst ausgeträumt ist, snoozen wir gerne weiter in Erinnerungen an ihn. Auch im Schauspielhaus Zürich wird mit dem neuen Stück Früchte des Zorns, das morgen Freitag, 25. Oktober 2019, Premiere feiert, noch ein bisschen weiter auf dem grossen Heilsversprechen der Vereinigten Staaten herumgeritten.

Das Stück basiert auf dem Literaturklassiker von John Steinbeck – The Grapes of Wrath – , der bereits im Jahr seines Erscheinens 1939 unglaubliche Erfolge feierte. Der sozialkritische Roman rund um die Bauernfamilie Joad, die durch die Great Depression – der Weltwirtschaftskrise der 1930er – gezwungen wird, ihre Heimat Oklahoma zu verlassen, um im fruchtbaren Kalifornien ihr Glück zu suchen, war ein derartiger Publikumserfolg, dass es nach der Veröffentlichung regelmässig zu Lieferengpässen kam. Ein Jahr später wurde es mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet.

«Die Wirklichkeit sieht anders aus. Nicht jede*r kann es schaffen.»

Als sozialkritisch galt der Roman deshalb, weil Steinbeck die Ausbeutung der Farmer durch den Kapitalismus so eindringlich schildert, dass Politiker und Wirtschaftsvertreter es anfangs zu verbieten versuchten. Zehn Jahre nach dem grossen Börsencrash von 1929 hielt der Autor seinem Land mitten in seiner Arbeits- und Hoffnungslosigkeit den Spiegel in Form des Schicksals einer Familie vor, die als Arbeitsmigranten in die Ungewissheit loszogen, um auf dem Weg von Armut, Elend und Hass gebeutelt zu werden und ihren Traum am Ende bitter enttäuscht zu sehen.

Spätestens hier sollten alle Glocken klingeln, wenn 2019 – wiederum gut zehn Jahre nach Beginn der globalen Finanzkrise – das Buch als Vorlage für ein Theaterstück dient. Der American Dream ist bereits bei Steinbeck nur noch Spott angesichts der albtraumartigen gesellschaftlichen Zustände und dass der Hausregisseur Christopher Rüping sich darauf bezieht, lässt auf ein kritisch bis zynisches Grundsetting hoffen, in dem dieser leider wieder höchst brisante US-Stoff auch für ein Theaterpublikum in Europa wieder relevant wird. In der Ankündigung auf der Website des Schauspielhauses heisst es, «Rüping [inszeniert] im Pfauen Steinbecks Geschichte zwischen Dürre und Sintflut, Paradies und Hölle», wir schauen dem Theaterabend also hoffnungsvoll entgegen.



Wem die Cliff-Hanger-Spannung unerträglich ist, kann sich die Wartezeit mit mehr Infos zum literarischen Original verkürzen: Bei arte gibt es einen Beitrag aus der Reihe Klassiker der Weltliteratur, der sich Früchte des Zorns genauer vornimmt. (Verfügbar bis Februar 2020)

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