
Blau ist der Farbreiz, der wahrgenommen wird, wenn Licht mit einer Wellenlängen im Intervall zwischen 460 und 480 nm mit einer spektralen Verteilung ins Auge fällt. Der Himmel ist blau. Blau ist eine kalte Farbe, die in der Literatur Ferne, Sehnsucht und Klarheit symbolisiert. Blau ist traditionell die Farbe Europas. Im Englischen steht blau für Melancholie und Trauer. Und es ist das kuratorische Ordnungsprinzip der Ausstellung Infinite Blue im Brooklyn Museum.
Blau in seiner ganzen Vielfalt
Dazu wurde die Sammlung des Museums nach allen Arbeiten durchkämmt, die blau sind. Das Prinzip ist so einfach wie genial, denn als Symbolträger durch die Kulturen und Jahrhunderte hat die Farbe stets ihren Platz behaupten können.
The spiritual and material aspects of blue combine to tell us stories about global history, cultural values, technological innovation, and international commerce.

Zeitgenössisches trifft hier auf Antikes, Bücher auf Video-Art, Arbeiten aus Ozeanien auf europäische Impressionisten. Was nach einem grossen Chaos klingt, das unter anderen Umständen schnell überfordern könnte, wird absolut verdaubar heruntergebrochen, denn bei jedem Exponat passiert beim Betrachten das gleiche: man sucht automatisch das blaue Element darin und gleicht seine Wirkung mit der der anderen ab.
Wir waren an diesem eisigkalten Freitag wegen einer anderen Ausstellung im Brooklyn Museum (Judy Chicago!), aber als jemand Infinite Blue so charmant mit “they just put everything blue they could find in there” umschrieb, musste ich mir sie anschauen.
Das Blau als roter Faden funktioniert absolut und es macht schlichtweg Spass durch die Ausstellung zu laufen. Man entdeckt an dem vermeintlich simplen Prinzip einer Farbe überraschend viel Neues, an das man gar nicht gedacht hätte. Form, Medium, Verarbeitung, Farbton – die Ausstellung zeigt nicht nur wie vielfältig Blau sein kann, sondern Kunstproduktion und der Kunstbegriff im Allgemeinen. Stark, wenn das eine Sammlungsausstellung, die weitaus weniger komplex in der Organisation ist, leistet.
Als ich Infinite Blue wieder verlassen habe und meinen geplanten Spaziergang durch Brooklyn antrat, war ich zugegebenermassen begeistert. Nicht unbedingt von der Ausstellung, im Sinne dass mich die einzelnen Exponate besonders berührt hätten, sondern vom kuratorischen Prinzip dahinter. Kunstvermittlungs-Fantum quasi. Doch je länger ich durch die Strassen zog und darüber nachdachte, hakte der Gedankengang irgendwo.
Die Krux liegt in der impliziten Prämisse, die ausgestellten Werke wären durchweg dem dem Thema Blau verschrieben. Also so produziert oder gefertigt worden, dass sie die Farbe bewusst thematisieren. Das ist es schliesslich, was im Beschrieb versprochen wird, eine Kulturgeschichte einer Farbe, durch diverse Länder und Jahrhunderte.

Die Thematisierung des Blaus
In einigen Fällen, wie Moonlight Halo von Su Xiaobai, das sich an westlicher abstrakter Kunst anlehnt, aber von traditionellen chinesisches Lackarbeiten inspiriert ist, ist das Interesse an einer Meta-Bedeutung der Farbe deutlicher als bei anderen. Man kann schliesslich keine monochrom blaue Fläche mehr anschauen, ohne an Yves Klein zu denken. Aber bei anderen, wie den jahrhundertealten Porzellanarbeiten, die einer starken Materialgeschichte unterworfen sind, in der man nun mal aus Kobalt – einem chemischen Element – einen bestimmten (blauen) Farbton gewinnen konnte, ist die Verwendung der Farbe doch ein völlig anderes Thema. Zusammengefasst werden jedoch alle Werke, als würden sie um das Blau kreisen.
Vielleicht ist es Haarspalterei, aber ich habe versucht, mir die Ausstellung nochmal mit dem Bewusstsein durch den Kopf gehen zu lassen, dass das Konzept von Infinite Blue, so gut es auch “verheben” mag, trotzdem nur eine Geschichte ist. Ein Narrativ, dass aus den vorhandenen Exponaten der Sammlung des Brooklyn Museums, aufgebaut wurde. Die nach völlig anderen Gesichtspunkten angelegt wurde. Und die dadurch nur sehr selektiv einen Bruchteil der Weltgeschichte des Blaus abdeckt.