Verführt von der SPRING/BREAK Art Show

 

Wo es Mainstream gibt, ist die entsprechende Gegenbewegung nicht weit. So auch bei der Art Week New York, die jedes Jahr Anfang März mit der Armory Show die Piers im Westen von Manhattan zum Zentrum der internationalen Kunstwelt macht. (Hier der Kurious-Bericht dazu.)

Wenn Scharen von Kunstinteressierten und die Grössen des Business auf einer kleinen Insel zusammengepfercht sind, dauert es nicht lange, bis sich weitere Messen anhängen, um einen Teil des Publikumsstroms abzuzwacken.

D0ch dass es in den 4 Tagen gleich 8 verschiedene Messen zu sehen gab – und eine weitere, die eine Woche früher begonnen hatte – hat selbst meine Erwartungen, die sich inzwischen an die Superlativen New Yorks angepasst haben, übertroffen. Eine Stunde vor Schluss habe ich es am Sonntag dann zum Glück doch noch zur SPRING/BREAK geschafft. Ein Erlebnis, dass mich fast zu meinem ersten Kunstkauf bewogen hat.

 

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Von ADAA bis NADA setzen die verschiedenen Messen unterschiedliche Foki, wobei das Grundprinzip immer ähnlich ist: Top-Galerien zeigen die Top-Auswahl ihrer modernen und zeitgenössischen Kunst. Ein Konzept stach allerdings heraus: die SPRING/BREAK Art Show, an der keine Galerien, sondern unabhängige Kuratoren ausstellen. Genutzt werden leerstehende Gebäude und anstelle einer Standgebühr (die bei den grossen Messen mit mindestens 10’000$ angesetzt ist) müssen Aussteller visionäre Ideen rund um ein Hauptthema liefern, um inkludiert zu werden.

Die diesjährige siebte Ausgabe der SPRING/BREAK Art Show stand unter dem Motto STRANGER COMES TO TOWN und hatte sich heisse Themen wie Xenophobie, Migration und Assimilation auf die Fahne geschrieben. 400 Künstler, 150 Kuratoren, 2 Stockwerke und all das in den ehemaligen Büroräumen von Condé Nast im 22. und 23. Stock direkt am Times Square.

 

Statt der üblichen Messetrennwände und Teppichbodencharme gab es unzählige kleine Zimmer, die jeweils völlig autonom gestaltet wurden. Ein immersives Gesamterlebnis, das eher an chaotische Open Studio Days einer Kunstschule erinnerte, als an die sonst erbarmungslose Geometrie von Art Fairs.

All great literature is one of two stories; a hero goes on a journey or a stranger comes to town.’ Who and what is this Stranger? And is their travel into the unknown always an act of heroism to some, of colonialism or contamination and infiltration to others?

 

Den blauen Zettel bekam jeder Besucher in die Hand gedrückt, noch bevor sich die Ohren vom Druckunterschied der Aufzugfahrt erholt hatten. Neben einer Übersicht der einzelnen Büroräume enthielt er einen kurzen Abschnitt, der wunderbar als thematische Einführung funktionierte und mit einem Verweis auf Amerikas (militärische) Mobilisierung gegen “das Andere” und die gleichzeitige Spannung eines Landes, das aus “Fremden” besteht, die politische Seite der SPRING/BREAK markierte.

So ansprechend der Ausstellungscharakter der Messe war, stiess das ganze Konzept an einem gewissen Punkt doch an seine Grenzen. Trotz des Überthemas erforderte jeder Raum sich neu auf den jeweiligen Kurator einzulassen und sich kurz einzulesen was die Schwerpunkte der gezeigten Arbeiten waren. Bei 400 verschiedenen Mini-Projekten ein Ding der Unmöglichkeit.

Doch der Rundgang durch die beiden Stockwerke, bei dem man sich einfach treiben lässt und diejenigen Räume genauer betrachtet, die einen ansprechen, war ein wahres Erlebnis. Hinter jeder Ecke schien etwas anderes zu warten: ein ehemaliger Kaffee-Raum, der völlig abgedunkelt Video-Arbeiten zeigte, Fragmente einer scheinbar antiken Statue, schwarzer knöcheltiefer Flausch-Teppichboden, eine interaktive Ausstellung, bei der man alles anfassen musste, und und und.

Die SPRING/BREAK Art Show war im Kern das, was für mich Kunst ausmacht: man lässt sich auf etwas ein, um Neues zu entdecken, von dem man nicht einmal wusste, dass es existiert und dass es einem gefallen könnte. Anders als bei der Armory Show kam ich mir auch nach 1.5 Stunden nicht völlig überreizt vor. Es hat sich gut angefühlt Teil dieser Anti-Messe zu sein, warum dieses Grundgefühl nicht auch nach Hause nehmen?

Art Shopping für Einsteiger
Dass viele der gezeigten Werke in einem Preisrahmen lagen, der theoretisch für mich in Frage kam, hat sicher noch zu einem grösseren Grundinteresse beigetragen. Auch wenn ich mich noch nicht unter die Sammler begeben hatte (anders als Jöelle), war auch diese Kunstmesse grundsätzlich eine Verkaufsshow und keine Ausstellung und ich erwischte mich ein paar Mal dabei, dass ich eine Arbeit nicht nur in Hinsicht ihrer “objektiven Qualität” bewertete, sondern auch hinsichtlich der Frage in welchem Mass ich mir vorstellen könnte, sie zu besitzen. Und es fühlte sich richtig an.

Christian Vargas – Two Faced Saint

 

Ich war tatsächlich kurz davor die kleine Porzellanfigur oben zu kaufen. Eine Serie von 50 Stück, ein erschwinglicher Preis von 50$ und etwas daran, das mich angesprochen hat, brachten mich fast soweit zuzuschlagen. Doch nach ein paar Tagen Bedenkzeit und minimaler Rercherche zum Künstler (ich habe ihm eine Anfrage auf Instagram geschickt, die er 2 Tage später beantwortet hat, seitdem folge ich ihm), musste ich das Ganze doch sein lassen.

Mit dem alternativen Konzept der SPRING/BREAK war ich kurzzeitig vom Pioniergeist der alternativen Kunstmesse beflügelt. Der gesellschaftskritische Grundtenor, der improvisierte Charakter und abenteuerliche Beigeschmack der Veranstaltung hatten mich fast soweit gebracht, mich der Kauflaune hinzugeben. Der Künstler kam frisch von der Schule und anstatt eine Galerie zu unterstützen, würde ich direkt in ihn investieren.

Letztenendes war es sein Instagram-Profil, das mich davon abgehalten hat, denn keiner seiner Posts hatte tatsächlich meinem Geschmack entsprochen und ich musste mir eingestehen, dass ich nicht in den Künstler, sondern in die Magie der Situation investiert hätte. Statt inhaltlich und visuell vom Werk überzeugt worden zu sein, hatte ich mich von der vordergründigen Haltung des Gesamtkonzepts der SPRING/BREAK den Kopf verdrehen lassen. Und sich eine Haltung durch ein künstlerisches Werk zu erkaufen, ist ungefähr so sinnvoll wie in eine gehypte Handtasche zu investieren.

Noch ist Kunst für mich ein Träger von etwas Emotionalem, dem ich bei jeder Ausstellung und jeder Messe, die ich besuche, hinterherjage. Irgendwann einmal ein Werk zu finden, das sowohl in seinem spezifischen Kontext, als auch ausserhalb funktioniert, und das ich mir tatsächlich leisten kann, wird mein Moment sein, als Sammlerin in den Kunstmarkt einzusteigen. Auch wenn die SPRING/BREAK Art Show nicht dieser Moment war, hat sie  mich doch daran erinnert, wie schön es ist zu Suchen.


 

Für alle, die sich die Werke nachträglich (nochmal) anschauen möchten, gibt es die Möglichkeit online zu ihrem Glück zu finden: die Palette der SPRING/BREAK Art Show ist komplett online zu besichtigen (und zu erwerben).

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